Archiv des Autors: Patrick Wenzel

Berücksichtigung von Bauwerksprüfungen in der Planungsphase

Die Standsicherheit von Bauwerken muss regelmäßig überprüft werden. Eine ordnungsgemäße Durchführung und Nachbereitung gewährleistet die Standsicherheit und ermöglicht es, erforderliche Maßnahmen rechtzeitig und geplant in Angriff zu nehmen.

Hinter Vorsatzschalen verborgene Konstruktionsteile

Nutzungseinschränkungen (z. B. Leverkusener Rheinbrücke A1), plötzliche Brückensperrungen (z. B. Talbrücke Rahmede A45) oder gar Bauwerkshavarien (z. B. Salzbachtalbrücke A66) unterstreichen ganz aktuell die Wichtigkeit von Bauwerkskontrollen und Bauwerksunterhaltung. mehr lesen

PM-Standortbestimmung – sind wir noch auf dem richtigen Weg?

Tagungsbericht der Jahrestagung 2021 in Hamburg

Raimo Hübner versucht den Blick in die Zukunft

Der Weg zu dieser Tagung sollte nun wirklich kein Leichter sein: Vom neuen Vorstand ursprünglich für das Frühjahr 2020 geplant, musste diese Tagung Corona-bedingt mehrfach verschoben werden, so dass sie schließlich mit einiger Verspätung am 22. Oktober 2021 an ihrem Ziel angekommen ist. Dabei haben die tiefgreifenden Veränderungen der letzten beiden Jahre in puncto Gesellschaft, Arbeitswelt und Politik bestätigt, dass die Zeit für kritische Reflexionen und neue Perspektiven – Stichwort: Digitalisierung – gekommen ist. mehr lesen

Salzbachtalbrücke – jetzt doch Abriss

Seit Ende 2017 wird am geordneten Ersatz der Salzbachtalbrücke gearbeitet. Dreieinhalb Jahre später die bittere Erkenntnis: Die Brücke muss jetzt ungeordnet gesprengt werden, die erheblichen Beeinträchtigungen für die Region werden noch über ein Jahr andauern. Bei einem geordneten Abriss hätte die Brücke bereits fertig sein können. mehr lesen

Haben wir Bauprojektmanagement verlernt?

Projektmanagement und seine Methoden sind das Eine, ihre Anwendung das Andere: In der Praxis kommt es bei Bauprojekten ganz entscheidend auf den Bauherrn an, um wirkungsvolles Bauprojektmanagement überhaupt zu ermöglichen. Den Zusammenhang zwischen Bauherren(organisation) und Projektverlauf erläutert jetzt ein Video anschaulich in unter acht Minuten.

 

1. Online-Mitgliederversammlung erfolgreich durchgeführt

Nachdem die für den 26./27.03.2020 in Hamburg geplante Jahrestagung aufgrund der aktuellen Corona-Situation nicht wie geplant durchgeführt werden konnte, hat der Vorstand die Mitgliederversammlung am 22.10.2020 online durchgeführt.

Drei Viertel der Mitglieder haben sich in die zweistündige Konferenz eingewählt. Die meisten von ihnen haben an der anschließenden Online-Verleihung des 2020er Studienpreises teilgenommen und konnten sich so die interessanten Vorträge der Preisträger anhören.

Trotz aller Online-Lehr-Erfahrung einiger Vorstands-Mitglieder war die Online-Mitgliederversammlung trotzdem noch ein ungewohntes Format. Dank der bisweilen lebhaften Interaktion der Teilnehmer hat es sich aber als sehr ermutigendes Format herausgestellt, mit dem auch über die Jahrestagung hinaus unterjährige Themen-Zusammenkünfte organisiert werden können.

Von Tesla Bauen lernen?

mit freundlicher Genehmigung von Robert und Andreas Wolf – The Wolfpack Berlin – (zum laufend aktualisierten Video-Channel)

Im Handelsblatt vom 02.10.2020 wird Bundeskanzlerin Angela Merkel mit den Worten zitiert, es freue sie, „… dass Brandenburg mit Tesla zeigt, wie man mit unseren Gesetzen und Fördermöglichkeiten auch in kurzer Zeit Dinge durchsetzen kann.“ Vor dem Hintergrund prominent gescheiterter Bauvorhaben auch aus der näheren Nachbarschaft ist diese Aussage zwar nicht zu beanstanden, mindestens gleichberechtigt sollte sie aber auch lauten: was man trotz unseren Gesetzen durchsetzen kann.

Tatsächlich können wir von Tesla lernen, und zwar in den Bereichen Übernahme von Verantwortung, Treffen von Entscheidungen und ihrer konsequenten Umsetzung. Das schließt die Bereitschaft zur Übernahme kalkulierbarer Risiken mit ein, was etwa den Baustart vor dem Vorliegen einer abschließenden Baugenehmigung betrifft. Brandenburg scheint hier schon von Tesla gelernt zu haben, wie unter verantwortungsvollem Ermessen Wege freigemacht werden können, die formal mit Steinen geradezu überschüttet sind. Das wirft die Frage auf, inwieweit die Notwendigkeit von Sonderwegen nicht zugleich zum Anerkenntnis führen sollte, dass die Hauptwege über die Jahre zu Irrwegen geworden, und grundlegend neu zu trassieren sind.

Bis dies der Fall ist, scheint Brandenburg tatsächlich eine Vorreiter-Rolle zu übernehmen, die am Beispiel der Schiersteiner Brücke auch für das Land Rheinland-Pfalz Vorbildcharakter gehabt haben könnte: Diese zwischen den Landeshauptstädten Mainz und Wiesbaden verlaufende Brücke wird auf nördlicher hessischer Seite sechsstreifig ausgebaut und sollte auf rheinland-pfälzischer Seite u. a. wegen einiger Weißstörche in den bestehenden vierstreifigen Anschluss münden. Man muss kein Verkehrsplaner sein um zu ahnen, dass das nicht sinnvoll sein kann, kein Hellseher um zu wissen, dass am Ende doch ein sechsstreifiger Ausbau stehen wird und kein Volkswirt um zu wissen, dass solche damit verbundenen Streitereien der Volkswirtschaft erheblichen Schaden zufügen. Formal und politisch alles korrekt – aber am Ende eben außer Spesen nichts gewesen.

Die Lektion, die von Grünheide ausgehen sollte, kann daher nur zweierlei bedeuten: Zum Einen bedarf es endlich und dringend eines Grundreinemachens in dem über die Jahrzehnte angesammelte Regelungsballast, der im Bemühen, es allen recht machen wollte, schließlich zur Verstopfung geführt hat. Zum Anderen bedarf es vermehrt mutiger Verantwortungs- und Entscheidungsträger auch auf öffentlicher Seite, die in der Überbrückungszeit ermessensvoll nach Lösungen suchen auf die Gefahr hin, dass sich diese hinterher als falsch herausstellen. Denn nur, wer nicht entscheidet, macht keine Fehler – und das können wir uns am Standort Deutschland immer weniger leisten.

Lean Construction – die Lösung?

Ein wenig lila “Lean-Sauce” dem Projekt zugeben, und schon läuft es wieder wie geschmiert? So funktioniert es leider nicht.

In der Jahresausgabe 2018/2019 Bautechnik der Zeitschrift „Bauingenieur“ warnt Patrick Wenzel unter „Good Morning Lean – a wakeup call“ deutlich vor überzogenen Erwartungen: Seiner Meinung nach ist Lean Construction kein Projektverstärker, der wie eine schmackhafte Sauce schlecht laufende Projekte verfeinern, und ihre Performance verbessern kann. Lean Management ist eher – um im Bild zu bleiben – eine fein abgeschmeckte Rezeptur aus Kompetenz, Zusammenarbeit, Methoden, gesundem Menschenverstand, Vertrauen, Kultur, Mut, Ehrlichkeit, Change – und vor allem: aufrichtigem Wollen und entschlossenem Handeln.

Lean ist auch keine Raketenwissenschaft, sondern setzt vielmehr auf die Wiedererweckung des Verständnisses für kluges, sinnvolles, intelligentes und effizientes Handeln aller Beteiligten. Dabei geht es darum, Dinge, von denen man etwas versteht, möglichst einfach und zugleich richtig und gut zu machen. Lean-Methoden können insoweit Anregung bieten, eigenes Handeln zu reflektieren und zu verbessern. Lean ist aber sicherlich keine neue Leistung und insbesondere kein Turbo-Booster, der auf bestehende Organisationen oder Projekte aufgepfropft werden kann.

Ausdrücklich warnt Wenzel insoweit vor den Gefahren, die von aktuellen Lean-Management-Modellen ausgehen können, wenn Lean-Berater in etablierte Verantwortlichkeiten von Planern oder bauausführende Firmen einzugreifen sollen. Kurzfristig führt das zu einer Diffusion und Verwischung von Verantwortlichkeiten, mittel- und langfristig kann dies Strukturveränderungen bewirken, wie einstmals die Herauslösung von Projektsteuerungsaufgaben aus der ursprünglich ganzheitlichen Wahrnehmung der Bauherreninteressen durch den Architekten.

Echte Bau-Kompetenz erscheint hier klar der bessere Weg. Bauherren, Lehre, Büros und Betriebe: Aufwachen! Es gibt viel zu tun!

BIM zu Ende gedacht

Modelle oder Zeichnungen, statische oder dynamische Visualisierungen, offline oder in Echtzeit gerechnet, sind im Bauwesen nichts Neues. Meist werden sie für Marketing-Zwecke erstellt, auch zur Vorbereitung schwieriger Entscheidungen sind sie ein wertvolles Hilfsmittel. Was früher der Modellbauer war, ist heute der Modellierer.

Mit freundlicher Genehmigung von STAR COOPERATION

Er ermöglicht es, ein geplantes Gebäude schon einmal von innen anzusehen, einen Blick hinter die Abhang-Decke zu werfen oder die Nutzbarkeit von Räumen anhand von Möblierungs-Alternativen zu prüfen. Dank hochentwickelter Gaming-Hardware ist das heute bereits mit überschaubarem Ausstattungs-Aufwand live und als Echtzeit-Simulation möglich. Eine Monitor-Maske überträgt jede Kopfbewegung fließend in die entsprechende Blickperspektive, so daß sich der Besucher ganz natürlich „umschauen“ kann. Zum „herumlaufen“ genügt es, das Zeigegerät in die gewünschte Richtung zu halten, und schon geht’s los in der virtuellen Realität (VR).

Gestern wie heute waren Visualisierungen Momentaufnahmen ihres Erstellungszeitpunkts. Während die Grafiker noch visualisiert haben, schritt die Planung schon fort. Dadurch sind Visualisierungen nie aktuell, jede Aktualisierung verursacht einen hohen Aufwand. BIM bietet jetzt das Potential, Visualisierungen schneller und mit geringerem Aufwand aus den Modellen zu generieren. Schon heute lassen sich 3D-CAD-Konstruktionen und BIM-Modelle in Visualisierungslösungen einlesen. Allerdings erfordert das immer noch einiges an Nachbereitungsaufwand. Das liegt zum einen an fehlenden Standards, aber auch an der handwerklichen Qualität von BIM-Modellen.

Saubere 3D-Modellierung mit passenden Anschlüssen erfordert Können, Disziplin und entsprechende Überwachung aller am Modellierungsprozess Beteiligten. Während BIM-Koordinatoren für die Qualität des Modells sorgen, definiert der BIM-Manager die einzuhaltenden Anforderungen und Standards. Dabei sollte er frühzeitig prüfen, ob die Visualisierungs-Anforderungen nicht Bestandteil des projektspezifischen BIM-Prozesses werden können. Wenn es gelingt, VR-Visualisierungen in den Planungsprozess zu integrieren, anstatt sie abschnittsweise nur mitlaufen zu lassen, wäre dies ein weiteres dickes Plus für BIM.

Fast alles richtig gemacht

Elbphilharmonie von See kommend

Schön ist sie geworden, die Elbphilharmonie. Und was hat sie nicht alles ertragen müssen, dieser Leuchtturm verlernten Bauens in Deutschland? Dabei hat Deutschland das Bauen gar nicht verlernt, es hat nur sein Wissen manchmal nicht eingesetzt. Entspre­chend enthält der im Juni 2015 vorgelegte Abschlußbericht der von der Bundesregierung eingesetzten Reformkom­mission für Großpro­jekte für Fachleute auch keine neuen Erkennt­nisse. Dafür schafft er aber insbesondere für Nicht-Fachleute einen neutralen, d. h. von Branchen-, Verbands- oder Politikinteressen unabhängigen breiten fachlichen Konsens: Wer sich an diese Spielregeln hält, der hat schon die wesentlichen Dinge richtig gemacht.

Ja, heißt es jetzt bei den touristischen Führungen in Hamburg, teurer sei sie natürlich schon geworden, die Elbphilharmonie, 700 Mio. EUR hätte sie gekostet anstatt 70 und es wird gleich nachgeschoben: Hätte man gleich die wahren Kosten benannt, wäre sie bestimmt niemals gebaut worden – und das wäre doch wirklich schade gewesen. Auch wenn diese Argumentation bei der bischöflichen Residenz in Limburg nicht getragen hat, so erhielt sie doch schon 1463 den Segen von Papst Pius II, der an seinen Baumeister Bernardo Rosselino gerichtet wie folgt zitiert wird:

„Du hast ganz recht gehandelt, Bernardus, daß du uns über die voraussichtlichen Kosten getäuscht hast. Wenn du uns die Wahrheit gesagt hättest, hättest du uns nie zu einer solchen Aufgabe bewegen können, und weder der vornehme Palast, noch das in ganz Italien seinesgleichen suchende Gotteshaus stände jetzt hier, deine Vorspiegelungen legten den Grund zu diesen herrlichen Bauwerken, die mit wenigen Ausnahmen von bloßem Neid verzehrten Menschen alle rühmen. Wir danken dir und erkennen unter allen Architekten des Jahrhunderts dir die erste Stelle zu.“ mehr lesen

Empfehlungen der Reform-Kommission im Praxis-Check

Als Mitglied der Arbeitsgruppe Projektsteuerung innerhalb der „Reformkommission Bau von Großprojekten“ hat der Verfasser mit Dipl.-Ing. Harald Rohr, Leiter des Integrierten Facility Management der Fraport AG einen Methoden-Abgleich mit dem unter seiner Verantwortung errichteten Flugsteig A-Plus vorgenommen. Weil dabei ein hoher Grad an Übereinstimmung festgestellt werden konnte, bietet dieser Beitrag auch die Chance, ein Gefühl für die praktische Umsetzbarkeit der Empfehlungen zu erhalten, und so ihre konkrete Anwendung zu befördern.

Beim Flugsteig A-Plus handelt es sich um eine Erweiterung des bestehenden Terminals 1 nach Westen mit einem Investitionsvolumen von rd. EUR 800 Mio. Der Neubau umfaßt eine Fläche von 185.400 m² und erstreckt sich über vier Ebenen. Mit knapp 800 m Länge bietet der Flugsteig 6,0 Millionen Passagieren Platz. Der Flugsteig kann bis zu 7 Großraumflugzeuge gleichzeitig aufnehmen, ein innovatives Positionierungskonzept erlaubt bei kleinerem Fluggerät (z. B. A321) sogar die gleichzeitige Abfertigung von bis zu 11 Flugzeugen. Die Verbindung in den baulichen Bestand erfolgt über die sogenannte „Wurzel“, in der v. a. Retailflächen und Loungeflächen der Lufthansa untergebracht sind. Die Inbetriebnahme erfolgte termin- und kostengerecht im Oktober 2012.

 

Harald Rohr hat seine Praxis-Erfahrungen aus dem Projekt mit den zehn Empfehlungen der Reformkommission abgeglichen und zusammen mit dem Verfasser folgendes Fazit gezogen:

1. Kooperatives Planen im Team

Die Reformkommission empfiehlt zunächst eine genaue Ermittlung des Projektbedarfs in Zusammenarbeit mit dem künftigen Nutzer. Er bildet die Grundlage für die anschließende Planung durch ein interdisziplinär zusammengesetztes Planungsteam. Dabei ist die Planung sorgfältig gegen unkontrollierte und projektzielgefährdende Änderungen abzusichern.

Die Architektenleistungen zum Flugsteig A-Plus wurden im Rahmen eines Planungs­wett­bewerbs vergeben. Deshalb stand der Projektbedarf schon vor Planungsbeginn fest und lag in Form einer Funktionsplanung vor. Dazu haben der Terminal-Betrieb und andere Nutzer des Flugsteigs ihre Prozess-Anforderungen formuliert, die in enger Abstimmung aller Beteiligten durch Projektentwickler und Planer optimiert auf einander abgestimmt wurden. Auf dieser Grundlage wurden eine Baukostenobergrenze ermittelt und Kostenziele abgeleitet.

Ab Planungsbeginn hat Fraport sukzessive alle Planer in einer Großraum-Büroetage zusammen­geführt, wie sie etwa im Lean Management auch als „big room“ bezeichnet wird. Kurze Wege, direkte Kommunikation und schlanke Hierarchien haben den interdisziplinären Austausch erleichtert und befördert. Der förmliche Abschluß und die Abnahme insbeson­dere der frühen Leistungsphasen 2 und 3 haben nicht nur Planungsqualität sichergestellt, sondern markierten gleichzeitig die gemeinsam erarbeiteten Leitplanken für den jeweils nächsten Planungsabschnitt.

Auch projektziel-gefährdende Änderungen ließen sich so besser erkennen, die von Anfang an im Risiko- und Änderungsmanagement verfolgt wurden. Als Wiederholungsbau­herr mit eigenen Anforderungs- und Planungs-Kompetenzen profitiert Fraport im gesamten Pla­nungs-Prozess von der Erfahrung und dem Verständnis dafür, daß es ohne Kompro­misse auf allen Seiten nicht geht. So konnten Änderungen auf ein Minimum beschränkt, und z. T. sogar „Design-Freezes“ durchgesetzt werden. Unvermeidbare oder unternehme­risch wesentliche Änderungswünsche sind, nachdem sie vom Unternehmen beschlossen wurden, mit ihren Kosten- und Terminauswirkungen in einen fortgeschriebenen Projekt­auftrag eingeflossen.

2. Erst planen, dann bauen

Die Reformkommission empfiehlt, mit dem Bau erst dann zu beginnen, wenn eine lückenlose Ausführungsplanung mit detaillierten Angaben zu Kosten, Risiken und Terminen für das gesamte Projekt vorliegt. Allenfalls vollständig abtrennbare Teilprojekte oder Gewerke könnten zeitlich vorgezogen werden.

Gerade bei technisch hoch ausgestatteten Gebäuden bewirkt die strikte Einhaltung der Empfehlung sehr lange Projektlaufzeiten, wenn etwa der Baugrubenaushub auf den Abschluß der Uhrenplanung warten soll. Das macht Projekte nicht nur unwirtschaftlich, es birgt auch die Gefahr von Erosionsschäden im Projekt, wenn sich etwa im Laufe der Zeit Anforderungen verändern oder Wissensträger das Projekt verlassen. Nicht nur für Architektur- und Ingenieurbüros sind gut organisierte schnelle Projekte besser als Langläufer.

Beim Flugsteig A-Plus wurde deshalb zunächst die umfangreiche Baufeldfrei­ma­chung, der Erdbau und der Rohbau beauftragt, um mehr Zeit für die weitere Ausführungs­planung zu gewinnen. Nachdem die Ergebnisse des vorbeschriebenen Planungsprozesses in Verbindung mit dem etablierten Änderungs­management eine hohe Qualität und Stabilität der bisherigen Planung erzeugt haben, erschienen die verbliebenen Risiken beherrschbar. Auch hier ist die kooperative Planung ein Schlüssel zum Erfolg, indem sich die Planungsbeteiligten untereinander eng abstimmen und mutig unbekannte Größen einvernehmlich durch tragfähige Annahmen ersetzen.

Insofern hat Fraport die Empfehlung lediglich in einer erweiterten Auslegung angewandt, und würde dies unter Chancen-Risiko-Abwägungen in vergleichbaren Fällen auch wieder so tun. Diese Abweichung von der Empfehlung kann jedoch nur solchen Bauherren empfohlen werden, die wirklich wissen und beherrschen, was sie tun und die sich auf ein erfahrenes Planungs-Team verlassen können, das sicher damit umgehen kann. Weil das auch seinen Preis hat, ist die 4. Empfehlung der Reformkommission im übrigen auch auf Architekten- und Ingenieurleistungen anzuwenden.

3. Risikomanagement und Erfassung von Risiken im Haushalt

Die Reformkommission empfiehlt, Haushaltsmittel erst dann freizugeben, wenn ein Risikomanagement installiert ist, und die von diesem monetär ermittelten Risiko-Kosten im Haushalt mit einzuplanen. Die Ausgestaltung des Risikomanagement sollte entsprechend der einschlägigen DIN-/ISO-Normen erfolgen.

Wesentliche Voraussetzungen für ein wirkungsvolles Risikomanagement sind eine stabile und nachvollziehbare Kostenbasis, eine enge inhaltliche Verankerung im Projekt und seine Unabhängigkeit. Die Kostenbasis ist von Beginn an im Rahmen des beschriebenen Planungsprozesses entwickelt, und im steten Abgleich mit den Kostenzielen des Projektes kontinuierlich fortgeschrieben worden. Zur Qualitätssicherung wurden diese Kostenermitt­lungen gesondert durch Baukosten-Spezialisten plausibilisiert und dabei auch auf Risiken hin geprüft. Zusätzlich wurde frühzeitig ein unabhängiges Risiko-Management implementiert, das über die Kostenrisiken hinaus mit einem „Ohr auf der Schiene“ das Projekt inhaltlich begleitet hat. Unterstützt wurde das dadurch, daß Kosten- und Risikomanagement zusammen mit den Planern im „big room“ angesiedelt waren und insofern unter Wahrung der gebotenen Unabhängigkeit und des wechselseitigen Respekts dennoch im Projekt-Team integriert waren.

Auf dieser Grundlage konnten Kosten und Risiken von Anfang an im Projektbudget berücksichtigt werden. Die gesonderte Ausprägung spezialisierter Rollen und Ressourcen für Kosten- und Risikomanagement haben in ihrer Unabhängigkeit eine Qualität zutage gefördert, die ansonsten als Nebenleistung im Tagesgeschäft nicht hätte erzielt werden können. In den regelmäßig von den Spezialisten moderierten Kosten- und Risikogesprächen konnten auch vorausschauend Aspekte identifiziert und Gegensteuerungsmaßnahmen entwickelt werden, die ansonsten verborgen geblieben wären. Damit wurden die Kosten- und Risikomanager auch nicht als unangenehme Kontrolleure wahrgenommen, sondern als Unterstützer auf dem Weg zu den gemeinsamen Projektzielen akzeptiert und anerkannt.

4. Vergabe an den Wirtschaftlichsten, nicht den Billigsten

Die Reformkommission rät davon ab, eine Vergabe ausschließlich auf der Grundlage des Preises vorzunehmen. Vielmehr müßten qualitative, nicht direkt monetarisierbare Aspekte wie etwa Erfahrung und Zuverlässigkeit stärker in die Angebotsbewertung mit einfließen. Desweiteren empfiehlt die Kommission bei Großprojekten zugunsten von Kosten- und Terminsicherheit zusammengefaßte Vergaben vorzunehmen.

Wenngleich der letzte Punkt auch als eine Art „Glaubensfrage“ betrachtet werden kann, so setzt doch die Entscheidung für die eine oder andere Vergabeart überhaupt erst das Vorhandensein entsprechender Angebote voraus. Nicht nur der Neubau der Europäischen Zentralbank in Frankfurt hat vor einigen Jahren gezeigt, daß das Großprojekt nicht sinnvoll auf dem Markt der Generalunternehmer-Leistungen plazierbar war. Deshalb sollte einer solchen Entscheidung eine geeignete Marktsondierung vorangehen. Fraport hat insofern sehr gute Erfahrungen mit Informationsveranstaltungen, Branchentreffs und Verbandsgesprächen gemacht und so auch Anbieter-Märkte entwickeln können, die vorher nicht existierten. So konnten etwa Ängste und Vorbehalte im Mittelstand abgebaut werden, was zu einer höheren Beteiligung an Ausschreibungen geführt hat.

Beim Flugsteig A-Plus hat sich Fraport bei der Bauausführung aus Risiko-Aspekten bewußt gegen zusammenge­faßte Vergaben entschieden. Wo vom Volumen her vertretbar, wurden darüber hinaus sogar einzelne Gewerke weiter in Lose unterteilt und an unterschiedliche Bieter vergeben. So führen potentielle Probleme eines Auftragnehmers während der Bauausführung nicht gleich zu einem vollständigen Stillstand; der Bauherr erhält darüber hinaus zusätzliche Flexibilität, wenn es um die Ausführung zusätzlicher oder terminkritischer Leistungen geht. Rück­blic­kend betrachtet hat sich dieses Vorgehen sehr bewährt, zumal die wenigsten Bauvorhaben völlig störungs- oder änderungsfrei ablaufen und der Bauherr so besser reagieren kann. Deshalb entwickelt Fraport für jedes Bauvorhaben eine individuell maßgeschneiderte Vergabestrategie unter Berücksichtigung der jeweils vorherrschenden Marktverhältnisse.

Bei der Entscheidung zugunsten des wirtschaftlichsten und nicht des billigsten Angebotes sind zwei Herausforderungen zu meistern: Zum einen müssen insbesondere bei öffentlichen oder Sektorenauftraggebern rechtlich abgesicherte Wege gefunden werden, nicht monetarisierbare Aspekte objektiv und diskriminierungsfrei bewerten zu können. Dies erfordert bereits bei bei der Wahl des Vergabeverfahrens, seiner Bekanntgabe im Amtsblatt der EU und bei der Erstellung der Leistungsverzeichnisse besondere fachliche und rechtliche Kompetenzen und Anstrengungen. Was bereits hier versäumt worden ist, kann hinterher oft kaum noch nachgeholt werden. Die Fraport AG unterhält auch aus diesen Gründen einen spezialisierten Bauleistungseinkauf, der diese Hürden nehmen hilft.

Die andere Herausforderung ist kultureller Art. Es ist nämlich grundsätzlich zu akzeptieren, daß sich die in Rede stehenden, sog. „weichen Aspekte“ nie zu hundert Prozent eindeutig und reproduzierbar in Zahlen fassen lassen werden. Deshalb erfordert die Wahl des wirt­schaftlichsten Angebots letzten Endes auch die Bereitschaft, den Mut und die Befugnis eine Entscheidung treffen zu können, die durch keinen Zahlenvergleich eindeutig zu rechtfertigen ist und die sich möglicher Weise im Nachhinein als falsch herausstellen kann. Dem zuvor beschriebenen interdisziplinären Projektteam ist es aber zusammen mit dem Einkauf überwiegend sehr gut gelungen gelungen, die Grundlagen für solche Entscheidungen zu schaffen, die dann auch in den entsprechenden Gremien die notwendige Akzeptanz und Bestätigung gefunden haben.

Der Vollständigkeit halber sei hier erwähnt, daß der Qualitätsaspekt nicht auf die Bauwirtschaft beschränkt verstanden werden sollte. Fraport ist auch bei Planungsleistungen entsprechend verfahren.

5. Partnerschaftliche Zusammenarbeit

Die Reformkommission empfiehlt eine wirkungsvolle Verpflichtung aller Projektbeteiligen auf eine „echte“, ernst gemeinte partnerschaftliche Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Diese moralische Verpflichtung sollte etwa durch eine „Projekt-Charta“ fixiert werden. Der Auftraggeber soll die Zusammenarbeit durch wirkungsvolle Anreizmechanismen unterstützen.

Wie die Marktsondierung gezeigt hat, können Planer und bauausführende Unternehmen oft selbst entscheiden, ob sie auf ein Projekt anbieten oder nicht. Es spricht einiges dafür, daß diejenigen Unternehmen, die diese Wahl haben, begehrter und damit auch besser geeignet sind als jene Unternehmen, die einen Auftrag dringend „brauchen“. Und so hat die partnerschaftliche Zusammenarbeit schon vor der Auftragsvergabe begonnen, indem zwischen Fraport, Planern und Bauwirtschaft Kontakte aufgebaut, Beziehungen gepflegt, und Erwartungen ausgetauscht worden sind, die es in der Folge von beiden Seiten zu erfüllen galt.

Fraport hat dabei kein Geheimnis daraus gemacht, daß das Arbeiten an einem Flughafen und für einen Sektoren-Auftraggeber in vielerlei Hinsicht aufwendiger ist als etwa für einen Projektent­wickler auf der grünen Wiese. Andererseits ist Fraport ein professionell aufgestellter, verläßlicher und fairer Partner der auch wirtschaftlich nicht darauf angewiesen ist, seine Partner unangemessen unter Druck zu setzen. So konnten Bauherr und Projektbeteiligte schließlich auf Augenhöhe zusammenfinden und Verträge abschließen, die überwiegend über die gesamte Projektlaufzeit getragen haben.

Eingetretene Störungen wurden meist konstruktiv und entlang der geschlossenen vertraglichen Vereinbarungen bereinigt. „Hart, aber fair“ hat Fraport die eigene Position dabei ebenso durchgesetzt, wie sie andere Positionen anerkannt und entsprechend den vertraglichen Regelungen vergütet hat. „In dieser sachlich-wertschätzenden Atmosphäre konnten auch schwierige Verhandlungen professionell und partnerschaftlich zum Erfolg geführt werden.“ bestätigt Dipl.-Ing. Christiane Schmitt, Gesamtprojektleiterin Ausführung. Gute Erfahrungen wurden dabei auch mit Anreizsystemen gemacht, mit denen selbst unter schwierigen Umständen anspruchsvolle Ziele noch rechtzeitig erreicht werden konnten. Allerdings soll hier auch nicht verschwiegen werden, daß der eine oder andere Malus gezogen werden mußte, wenn die vereinbarten Ziele dann doch nicht erreicht worden sind.

6. Außergerichtliche Streitbeilegung

Die Reformkommission empfiehlt die vertragliche Vereinbarung von internen und externen Konfliktlösungsmechanismen.

Im Flugsteig A-Plus waren Schlichtungsvereinbarungen fester Vertragsbestandteil. Dies war für die Auftragnehmerseite ein positives und vertrauensbildendes Signal dafür, daß Fraport mehr an objektiven und sachgerechten Lösungen interessiert ist als am eigenen Vorteil. Tatsächlich wurde die Schlichtungsvereinbarung in keinem Fall in Anspruch genommen, da die meisten Probleme bereits im Rahmen der Eskalation einvernehmlich gelöst werden konnten. Lediglich bei einer kleinen Anzahl von Fällen im einstelligen Prozentbereich war dies nicht möglich, so daß hier die Gerichte bemüht werden mußten.

7. Verbindliche Wirtschaftlichkeitsuntersuchung

Die Reformkommission empfiehlt, für das Projekt-SOLL auch unterschiedliche Beschaffungsmodelle zu vergleichen und das vorteilhafteste auszuwählen. Beschaffungsmodelle decken ein weites Spektrum von der Beschaffungsstrategie (Anmietung, Bau, Kauf, Leasing,…) über die Wertschöpfungstufe (Planung, Bau, Betrieb, Finanzierung, …), die Vergabestrategie (Einzelplaner, Generalplaner, … bzw. Fachlose, Generalunternehmer, …) bis hin zu öffentlich-privaten Partnerschaften ab.

Angesichts der Besonderheiten einer Spezialimmobilie wie der des Flugsteigs A-Plus hat sich Fraport für den Bau und Betrieb in eigener Regie und Finanzierung entschieden und behält damit die Kontrolle über die gesamte Wertschöpfungskette. Bezüglich der Vergabestrategie gilt das zur 4. Empfehlung Ausgeführte.

8. Klare Prozesse und Zuständigkeiten/Kompetenzzentren mehr lesen