Ein multifunktionales Modell des Projektmanagements im Hochbau

von Arch. Dipl. Ing. Dr. techn. Alexander C. N. Muhm, 1. Preisträger des Studienpreises 2016 der 1. Wissenschaftlichen Vereinigung Projektmanagement e. V.

Die zunehmenden funktionalen Anforderungen an zeitgemässe Gebäude gehen mit einer steigenden Zahl beteiligter Akteure (oder Spezialisten) am Planungs- und Errichtungsprozess und somit einer notwendigen professionellen Koordination dieser Beteiligten einher, insbesondere auf Bauherrenseite. Diese Koordination wird allgemein unter den Begriff Projektmanagement des Bauherren gefasst. In der vorgestellten Arbeit, die 2014 im Springer Verlag als Buch mit dem Titel „Ein multifunktionales Modell des Projektmanagements im Hochbau“ erschienen ist, wird auf ein Prozessmodell für das Projektmanagement im Hochbau eingegangen, welches die Aufgaben der einzelnen Akteure und deren Handlungsspielräume von der Initiierung bis zum Abschluss der Gebäudeerrichtung umschreibt. Das Buch ist eine formal geringfügig verbesserte Fassung der 2013 an der Technischen Universität Wien abgeschlossenen Dissertation mit gleichem Titel.

Die Arbeit untersucht systematisch das Projektmanagement im Hochbau von der Initiierung einer Projektentwicklung bis zur Fertigstellung des Gebäudes auf Basis empirischer Erfahrungen und Erhebungen. Hierbei wird ein umfassender Überblick über (a) die wesentlichen Ziele und Aufgaben der verschiedenen Akteure vor dem Hintergrund ihrer fachlichen Disziplinen bzw. funktionellen Rollen, (b) die technisch-organisatorischen Prozesse unter besonderer Beachtung der funktionellen Zusammenhänge und deren Schnittstellen und (c) die Managementprozeduren bei der praktischen Umsetzung von Gebäudekonzepten erarbeitet.

Vorherrschende theoretische Ansätze dazu und eingefahrene Verhaltensweisen in der Praxis werden hinterfragt. Zugleich wird ein analytisch fundiertes, praktisch anwendbares Verständnis dieser Managementaufgaben in Form eines multidisziplinär vernetzten Prozessmodells mit dem Fokus auf die Planung und Errichtung des Gebäudes entwickelt. Daraus können zu erledigende Aufgaben, erforderliche Leistungen und zielführende Verhaltensweisen insbesondere für die im Detail untersuchten Lebenszyklusphasen des Gebäudes abgeleitet und in der Praxis erfolgreich umgesetzt werden. Die Untersuchung setzt sich mit Organisationsstrukturen und Prozessen auseinander, die ab einer Projektgrösse von mehr als 100 Millionen Euro gerechtfertigt sind. Kleinere Projekte können besser mit reduzierten Strukturen und Prozessen durchgeführt werden. Dies gewährleistet, dass die Projektbearbeitung nicht durch administrativen Aufwand überlastet wird.

Die in der Literatur vorliegenden Konzepte des Managements der Projektentwicklung sowie deren Aufbau und Ablauf in der Praxis wurden anhand von Fallstudien des Autors bei dessen eigener Hochbautätigkeit systematisch überprüft. Die theoretischen Grundlagen und praktischen Handlungskonzepte sind dargestellt und evaluiert. Nicht mehr zeitgemässe Ansätze werden als solche identifiziert, danach aber nicht mehr weiterverfolgt. Für die Zielsetzungen nutzbringende Ansätze werden aufgegriffen, gegebenenfalls modifiziert, durch eigene Erfahrungen ergänzt und in das zu erarbeitende neue Konzept unter Würdigung der bisherigen Erkenntnisse anderer Autoren einbezogen.

In der Konzipierung der Prozesslandschaft werden die je BP-Phase unterschiedlichen Störungen eines idealisierten Ablaufs beleuchtet (Abbildung 1). Hierbei ist zwischen einer passiven (unbewussten) Beeinflussung des Ablaufs durch die Verhaltensweisen der Beteiligten und einer aktiven (bewussten) Beeinflussung der Entscheidungsfindung zu unterscheiden. Für jeden Aufgabenbereich werden zur Verfügung stehende Möglichkeiten der aktiven Einflussnahme durch das Projektmanagement dargestellt. Die möglichen Störfaktoren werden empirisch und offen für Fortsetzungen analysiert. Dabei ist zwischen internen Faktoren (z. B. durch ein „Fehlverhalten“ des Akteurs einer Disziplin) und externen Faktoren (z. B. durch eine Gesetzesänderung im Laufe der Bearbeitung) zu differenzieren. Für beide Sphären: (a) Möglichkeiten der aktiven Einflussnahme des Projektmanagements sowie (b) interne/externe Störfaktoren wird ein streng nach Aufgaben, Akteuren und Funktionsbereichen differenzierter Handlungsrahmen abgesteckt.

Abbildung 1: Gliederung der Betrachtungstiefe des Prozessmodells Quelle: Muhm 2014, S. 9, Abb. 1.

Anhand des Verständnisses möglicher Einflussfaktoren können Entscheidungen getroffen werden. Die situative Reaktion des Managements auf Störquellen sowie deren vorrangige Vermeidung bildet hierbei eine der zentralen Fragen. Vor diesem Hintergrund wird eine idealisierte Darstellung in Form eines multidisziplinären Prozessmodells, zunächst für den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes (Gebäudelebenszyklus) und in der Folge für die detaillierte Planung und Errichtung des Gebäudes, erarbeitet. Aufgrund der vorhandenen Abstraktion der angeführten Abläufe, Verhaltensweisen und Empfehlungen ist vor deren Anwendung jedoch eine Anpassung an den jeweiligen Einzelfall erforderlich.

Das aufgestellte Modell unterscheidet zwischen der Aufgabenstellung der einzelnen Akteure und ihren Handlungsspielräumen. Dabei wird ein prozessual gegliederter, input- und outputbezogener sowie idealisierter Rahmenablauf des Gebäudelebenszyklus (Abbildung 2) erarbeitet.

Im Vordergrund steht eine umfangreiche Gesamtbetrachtung der Managementaufgabe innerhalb des Planungs- und Errichtungsprozesses als multidisziplinäres Phasenmodell im verbindlichen Rahmen von „Funktionen (quantitativ und qualitativ spezifiziert), Kosten (vor allem zur Steuerung der Planungs- und Errichtungskosten) und Terminen (Beginn und Ende der einzelnen Projektphasen)“ sowie, daraus abgeleitet, operative, multidisziplinär verknüpfte und, so weit wie nötig, standardisierte und ferner, so weit wie möglich, flexible, je nach Projektphase variable Steuerungs-, Vollzugs- und Kontrollprozeduren (-verfahren) für die Anwendung in der Praxis.

Abbildung 2: Überblick über den Gebäudelebenszyklus Quelle: Muhm 2014, S. 25, Abb. 2.3

Der Gebäudelebenszyklus wird als geschlossener Ablauf von der Projektidee bis zur Demontage des Gebäudes verstanden. Der Begriff der „Immobilie“, welcher je nach Sprachverständnis das Grundstück, das Gebäude oder auch beides umfassen kann, wird nicht angewendet. Im Zentrum der Betrachtung steht die bauliche Substanz, welche gegenüber dem Grundstück einem anderen, viel jüngeren Verfallszeitraum unterliegt. Die Veränderung von Eigentumsverhältnissen und die Vergrösserungen oder Verkleinerungen des Grundstücks sind in diesem Sinne nicht als phasenrelevant zu betrachten.

In den Beschreibungen und den darauffolgenden Erklärungen der Prozessabläufe werden alle beteiligten Akteure und Handlungsfelder aus Sicht des Projektmanagements erläutert. Als Fazit der Arbeit werden Handlungsempfehlungen für ein aktiv in Projekten tätiges Projektmanagement und sonstige Leistungsträger mit Steuerungsfunktion abgeleitet.