Hard- und Softskills des Projektmanagements

Es ist eine wesentliche Erkenntnis der Projektwissenschaft, dass ungeachtet aller entwickelten Werkzeuge des Projektmanagements die wohl meisten Projekte ihre Ziele nicht erreichen, mithin fehlschlagen. Bei EDV-Projekten wird die Quote des Scheiterns mit mehr als 70 % angegeben. Bei reinen Bauprojekten verfehlen annähernd 50 % ihre Projektziele. Hiermit wächst auch die Erkenntnis, dass generell die Beachtung und der Einsatz sämtlicher entwickelter Werkzeuge des Projektmanagements einen Projekterfolg nicht sicherstellen kann. Dieser Befund mag mit dem Umstand in Zusammenhang stehen, dass sich national wie international noch keine einheitliche Theorie des Projektmanagements herausgebildet hat. Es gibt nur partielle, unvollständige Beschreibungsansätze dessen, was Projektmanagement ist und leisten kann.

Die 1. Wissenschaftliche Vereinigung Projektmanagement hat sich zum Ziel gesetzt, die Erfolgsfaktoren des Projektmanagements jenseits instrumenteller Konzepte zu analysieren und nach Lösungen zu suchen. Im vorliegenden Zusammenhang soll daher ein konstruktivistischer Erklärungsansatz vorgeschlagen werden, der insbesondere die Notwendigkeit eines Einsatzes von Softskills in Projekten verdeutlicht und daher zum Verständnis leistungsfähiger Projektmanagementansätze Beiträge leisten kann.

Bevor jedoch die Lösungssuche begonnen werden soll, bedarf es der Einführung einiger Begrifflichkeiten:

Es ist schon nicht klar, was ein Projekt ist. Allein dazu sind Bücher geschrieben worden. Für die bei der Bauprojektrealisierung beteiligten Ingenieure liefert eine technische Norm, nämlich die DIN 69901 eine Begriffsdefinition, die sich verkürzt wie folgt darstellt:

Ein Projekt ist eine zeitlich befristete und einmalige Aufgabenstellung, die wegen ihrer Komplexität eine eigene Organisation erfordert.

Das Projekt als Konstrukt

Der hier zu Hilfe gezogene Konstruktivismus ist eine Richtung der Erkenntnistheorie. Hiernach ist die Welt, wie wir sie wahrnehmen, unsere Erfindung, das Konstrukt unseres Geistes. Zwischen unseren Wahrnehmungen und der Wirklichkeit besteht eine Differenz. Wir sind nicht in der Lage, die Wirklichkeit selbst zu erkennen, sondern machen uns lediglich – unvollständige – Bilder hiervon. So sind unsere Vorstellungen und Erklärungsversuche, die vornehmlich auf einem kausalistischen/deterministischen Denken beruhen, oftmals nicht in der Lage, komplexere soziale Wirkungszusammenhänge zu erfassen oder zu begreifen. Auch ein Projekt ist hiernach ein Konstrukt nämlich ein wahrgenommener Ausschnitt sozialer Wirkungszusammenhänge. Wir konstruieren durch unser Denken und Handeln selbst das Projekt.

Die Mittel, mit denen wir Projekte zu steuern versuchen, sind einerseits Hardskills. Dazu werden gezählt die entwickelten Werkzeuge des Projektmanagements wie Projektmanagementhandbücher der maßgeblichen Projektmanagementorganisationen, insbesondere Vorgehensmodelle der Qualität, Kosten und Terminsteuerung und dazu gehöriger EDV-Hilfsmittel. Daneben spielen sog. Softskills eine Rolle. Dies sind auf einer persönlicheren Ebene liegende Hilfsmittel, die sich z. B. auf Teambildung, Führungsqualitäten usw. beziehen und ebenfalls zum Projekterfolg beitragen sollen. Wird zum Verständnis vom Projektmanagement ein konstruktivistischer Erklärungsansatz herangezogen, offenbart sich unmittelbar, dass neben den üblichen Hardskills auch die Softskills als ein wesentliches ergänzendes Steuerungsmedium hinzutreten müssen. Aus konstruktivistischer Sicht lassen sich folgende Steuerungselemente des Projektmanagements unschwer erklären:

1. Die klassische Projektmanagementlehre versucht, Projekte, die Konstrukte unseres Denkens sind, wie einen unmittelbar erfassbaren Gegenstand in deterministischer Weise zu behandeln, ihn sozusagen auf den Seziertisch zu legen. Es ist unmittelbar einleuchtend, dass dies bei einem Wahrnehmungszusammenhang, der recht willkürlich aus einem sozio-ökonomischen Zusammenhang herausgegriffen wird, aber niemals seine Abhängigkeit zu vielfältigen Außenbeziehungen vollständig verliert, nicht vollständig gelingen kann. Die Einbettung der Projekte in die Umwelt mit vielfachen Wechselwirkungen macht einen rein reduktionistischen Erklärungs- und Behandlungsansatz fragwürdig. Projekte als recht individuell konstruierte Teile der wahrgenommenen Umwelt lassen sich schwerlich mittels isoliert kausaler Einwirkung in eine vordefinierte Richtung steuern. Andererseits wird deutlich, dass jedwede zielgerichtete Einflussnahme auf Projekte scheitern muss, wenn das Projekt nicht als solches verselbstständigt und in messbarer Form – durch eine eigene Struktur und Projektorganisation – möglichst weitgehend aus der übrigen Umwelt herausgelöst wird. Deshalb bedarf es der bekannten Verselbstständigung einer eigenständigen Organisation durch die Verantwortlichkeiten  und Handelnden, um das Projekt, das von der Außenwelt zumindest partiell abgegrenztes Medium überhaupt sinnhaft zu beeinflussen

2. Unter konstruktivistischem Blickwinkel wird auch unmittelbar klar, dass Projekte im Wesentlichen auf einer Kommunikation zwischen den Projektbeteiligten beruhen. Sind Projekte nämlich Konstrukte, dann bedarf es einer einheitlichen Sichtweise aller Beteiligten im Hinblick auf die Elemente und Randbedingungen des jeweiligen Projektes sowie einem gemeinsamen Verständnis hinsichtlich der Einwirkung und der Fortentwicklung dieses Konstruktes. Die Behauptung, Projekte seien nichts als Kommunikation, ist daher nur Wasser auf die Mühlen des Konstruktivismus. Die Kommunikation dient der Verstärkung und Ausrichtung aller Beteiligter auf die jeweiligen Projektziele.

3. Der Projektmanager schafft erst ein Projekt; seine Handlungs- und Sichtweisen schaffen eine neue Wirklichkeit. Er muss alle Projektbeteiligten hierauf ausrichten und – über Kommunikation – für eine einheitliche Fortentwicklung des Projektes Sorge tragen. Dazu dienen sog. Softskills, die die Schaffung eigener Projekt- und Kommunikationsräume zwischen den Projektbeteiligten fördern (eigenes Projekt-Internetportal/gemeinsame Veranstaltungen/Start-up-Workshops etc.). Dazu gehört auch die Verwendung von Zeichen und Handlungsmaximen, wie etwa Präsentation übergroßer Bauzeitenpläne in Besprechungsräumen, um alle Beteiligten immer wieder auf die Terminanforderungen einzuschwören. Dazu gehört etwa die Verwendung von Partneringzielen in Verträgen, die im Schwerpunkt weniger juristische Zielstellungen dienen, als vielmehr ebenfalls der Verdeutlichung gemeinsamer Handlungsansätze.

4. Speziell in den für Projekte typischen komplexen Entscheidungssituationen, in denen unter Zeitdruck gehandelt werden muss, versagen regelmäßig analytische/deterministische Entscheidungsansätze. Komplexität und Zeitdruck führen dazu, dass eine Beurteilung aller möglichen Steuerungsansätze und deren Auswirkungen nicht verarbeitbar ist. In diesen Situationen können nur erfahrene Projektbeteiligte die notwendige Hilfestellung bieten. Sie haben ähnliche Projektwirklichkeiten durchlebt und wissen sofort, wie in bestimmten Situationen gehandelt werden kann und können sich abzeichnende Projekteskalationen quasi im Vorhinein „riechen“. Ohne den Einsatz erfahrener Projektbeteiligter scheitern noch so gut vorbereitete Projekte.

5. Da die Projekte konstruierte Wirklichkeiten sind, sind auch bei Konfliktlösungen hierauf basierende spezifische Ansätze vonnöten. Weniger die Konfliktlösung durch Diskussion statischer Rechtspositionen als vielmehr die Gewinnung neuer Einsichten, die Selbstreflexion im Hinblick auf die Veränderung der konstruierten Wirklichkeit, die Neuentwicklung des Projektansatzes können Hilfestellung liefern. Querdenken und die Hinzuziehung Dritter mit neuen Sichtweisen können Konflikte in Projekten eher beseiti¬gen als das Beharren auf bereits definierten Randbedingungen und mit Durchführung von Prozessverfahren.

6. Es ist nachvollziehbar, dass Projekte als Konstrukte unseres Geistes und quasi virtuelle Schaffensergebnisse stets des Abgleiches mit der Wirklichkeit bedürfen. Controlling ist daher eine der wichtigsten Aufgaben des Projektmanagements. Die bekannten Soll-/Ist-Kontrollen in Projekten schaffen erst den notwendigen Abgleich, um Fehlsteuerungen frühzeitig zu erkennen mithin Differenzen zwischen Konstrukt und Wirklichkeit deutlich zu machen.

Als Ergebnis lässt sich festhalten, dass die konstruktivistische Sicht des Projektmanagements eine Vielzahl von Anforderungen an modernes Projektmanagement erklären kann. Gleichzeitig wird deutlich, dass hierdurch neue Ergebnisse und auch Schwerpunkte aufgezeigt werden, welche den Softskills einen wesentlichen Erfolgsbeitrag zuweisen.

Den Ansätzen der 1. Wissenschaftlichen Vereinigung Projektmanagement, derartige Entwicklungen zu fördern, kann daher nur beigetreten werden. Diesen Ansätzen ist für die Zukunft der erwartete Erfolg zu wünschen. Mögen die insoweit formulierten Denkanstöße der Projektwissenschaft in maßgeblicher Form weiterhelfen.