Ideale Bürgerbeteiligung beginnt mit der idealen Stadtverwaltung. Die ideale Stadtverwaltung schätzt ihre BürgerInnen ungemein: als Wissens- und Inspirationsquelle, als Beratungs- und Mitentscheidungsgremium. Die betreuenden MitarbeiterInnen sind offen für Neues, lieben flexible Prozesse, freuen sich auf experimentelle Verfahren und tragen mutige Ergebnisse aus voller Überzeugung mit. Die ideale Stadtverwaltung führt daher regelmäßig Partizipationsverfahren durch. Die Verfahren sind wirklich ergebnisoffen, der Spielraum für die Beteiligung ist klar definiert. Es geht nicht um reine Planauslegung, nicht um Pseudobeteiligung, nicht um das Sammeln utopischer Wünsche. Es geht um echte partizipative Arbeit an einer realen Aufgabe – mit dem Ziel, den schönsten gemeinsamen Nenner zu finden.
Die ideale Stadtverwaltung schreibt die Beteiligungsverfahren aus, um das ideale Büro zur Durchführung zu finden. Mehrere Büros mit Erfahrung in kreativen Prozessen bewerben sich und schlagen innovative Werkstattverfahren zur Ideenentwicklung vor. Die Auswahl des idealen Büros erfolgt selbstredend nicht aufgrund des günstigsten Preises oder lokaler Liebschaften, sondern transparent nach offengelegten Kriterien wie Passgenauigkeit, Kreativität und Zielorientierung des Prozesses. So gelingt es, das ideale Verfahren für jedes individuelle Projekt zu finden.
Und schon geht’s los: Das ideale Beteiligungsverfahren zieht sich nicht wie Kaugummi in die Länge – es ist ein kompaktes Festival der Ideen. Es ist transparent. Jederzeit ist sicht- und nachvollziehbar, wann was passiert, wer was macht und wo man sich einbringen kann. Es kommuniziert auf vielen Kanälen: Digitale Beteiligung aus der Ferne ist genauso möglich wie das persönliche Vier-Augen-Gespräch vor Ort. Die Vielfalt der Partizipationsformate öffnet verschiedenste Türen: Interaktive Workshopformate bieten die Möglichkeit, sich aktiv einzubringen, Dialogforen die Chance, mit den PlanerInnen zu diskutieren, Infoveranstaltungen und Medienbeiträge bringen Interessierte regelmäßig auf den Stand der Dinge, temporäre Interventionen lassen neue Räume auf Zeit entstehen, Schülerwerkstätten binden die Jugend ein, Stadtspaziergänge öffnen neue Perspektiven und das Stadt-Um-Bau-Modell weckt den Ehrgeiz jeder Hobbyarchitektin und jedes Heimwerkers, und vielleicht bereichern sogar noch ein paar Architektur-StudentInnen die Ideensammlung durch ihre verrückten Visionen. Und weil ehrenamtliche Arbeit belohnt werden muss, gibt es nicht nur Leitungswasser, sondern leckeres Essen für alle MitdenkerInnen!
Die stille Zuhörerin ist genauso willkommen wie der quirlige Ideenfeuerwerker und die gewitzte Fragestellerin. Und: Die ideale Bürgerbeteiligung kommt natürlich nicht ohne ideale Kritikaster aus. Auch wenn diese oft sehr direkt sind und durchaus unangenehme Momente erzeugen können – sie müssen einfach sein. Sie sind wichtig, um das Verfahren zu hinterfragen, Knackpunkte aufzuzeigen und den Finger in die Wunde zu legen. Statt in großen Turnhallen verzweifelten BürgermeisterInnen wütende Worte ins Gesicht zu schleudern, werden sie in kleinen Arbeitsrunden gehört, eingebunden, ihren Anliegen auf den Grund gegangen und in konstruktive Teile des Konzepts umgemünzt. Es entsteht Akzeptanz.
Wer da nicht mitmacht, ist idealerweise selber schuld.
Natürlich bringt die ideale Bürgerbeteiligung konkrete Ergebnisse, die nicht nur öffentlich präsentiert und gut dokumentiert werden, sondern sogar umgesetzt werden können und wollen. Manches gar sofort – anhand erster Veränderungen wird sichtbar, dass etwas passiert, dass BürgerInnen etwas bewegen können, dass ihr Wort etwas zählt. Manches dauert ein bisschen länger, weil StadtplanerInnen, ArchitektInnen und LandschaftsarchitektInnen professionelle Pläne entwickeln müssen. Das Ergebnis wird dafür aber richtig gut, weil es gemeinsam mit den StadtbewohnerInnen erdacht wurde. Manches liegt noch in der Ferne, ist aber die Vision, die alle gemeinsam entwickelt haben und die Schritt für Schritt Realität werden soll.
Und übrigens: derartige Verfahren funktionieren nicht nur in der Stadt, sondern auch auf dem Dorf, in Schulen und in Unternehmen – es gibt ja solche Projekte schon.
Aber wie ideal wäre es, wenn es noch viel mehr davon gäbe …
Prof. Dr.-Ing. Florian Kluge, Landschaftsarchitekt, ist Gesellschafter der nonconform ideenwerkstatt. Das Büro mit sieben Standorten in Österreich und Deutschland ist Spezialist für kreative Beteiligungsprozesse. Kluge ist zudem Professor für Projektmanagement und leitet das Institut für Prozessarchitektur an der Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft in Alfter.