Technische Gebäudeausrüstung als Risikofaktor in der Projektabwicklung

Tagungsbericht der Jahrestagung 2013 in Frankfurt/M.

Die Meldungen in den Medien über gescheiterte und gefährdete Großprojekte der Bauwirtschaft sind momentan so allgegenwärtig wie die Eurokrise. In zahlreichen Veranstaltungen werden die möglichen Ursachen, Folgen und Veränderungserfordernisse diskutiert.

Bei vielen gescheiterten oder gestörten Projekten liegen die Ursachen im Bereich der Planung und Ausführung der technischen Gebäudeausrüstung.

Die technische Gebäudeausrüstung macht je nach Projekttyp zwischen 30–50 % der Herstellkosten aus, verbunden mit der Tendenz einer immer schneller werdenden Projektabwicklung und einer stetig steigenden Komplexität der technischen Projektanforderungen. Damit steigen die Anforderungen an die Projektbeteiligten und Prozessdefinitionen in Planung und Ausführung.

Diesem zentralen Thema hat sich die 1. wissenschaftliche Vereinigung Projektmanagement in ihrer Jahrestagung 2013 gewidmet. Nach erfolgreichen Veranstaltungen in Hamburg (2010), Berlin (2011) und Düsseldorf (2012) fand die diesjährige Tagung unter dem Titel „Technische Gebäudeausrüstung als Risikofaktor in der Projektabwicklung“ in Frankfurt statt.

Tagungsprogramm

Im Tagungsprogramm wurden mit hochkarätiger Besetzung die verschiedenen Sichtweisen von Bauherr, Planer und ausführenden Firmen vorgetragen und Möglichkeiten diskutiert, wie Projekte zielsicher vorbereitet und abgewickelt werden können:

  • Zunächst referierte Dr.-Ing. Norbert Preuß, geschäftsführender Gesellschafter der Preuss Projektmanagement GmbH (München) über die Steuerung der Gebäudetechnik vom Nutzerbedarfsprogramm bis zur baulichen Fertigstellung aus Sicht des Projektsteuerers.
  • Univ.-Prof. Dr.-Ing. Dirk Bohne, Universität Hannover und Bohne Ingenieure GmbH (Düsseldorf) referierte anschließend zum Thema „Planung der Gebäudetechnik: Was ist „state of the art“? Projektkrisenvermeidung durch termin- und qualitätsgerechte TGA-Planung“ anhand von Planungsbeispielen aus dem In- und Ausland.
  • Aus Sichtweise der Bauausführenden erläuterte Dipl.-Ing. Karl-Walter Schuster, CEO der YIT Building Services Central Europe GmbH (München) die Umsetzung der Planungsvorgaben in eine funktionsfähige Anlagenkonzeption.
  • Im letzten Statement stellte Univ.-Prof. Dr. techn. Arnold Tautschnig, Leopold-Franzens-Universität (Innsbruck) Leistungsumfang, Funktionsweise, Chancen und Risiken des Building Information Modeling mit Blick auf die TGA-Planung dar: „Auf dem Weg zur kollisionsfreien TGA-Planung“.

Diskussion und Fazit

Zum Abschluss der Tagung moderierte Dr. Klaus Eschenbruch, Kapellmann und Partner (Düsseldorf) die Diskussion mit Referenten und Teilnehmern der Tagung. Die wesentlichen Ergebnisse lassen sich in folgenden Thesen zusammenfassen:

  1. Angesichts immer komplexerer Projekte ist die technische Gebäudeausrüstung zu einem zunehmend kritischen Erfolgsfaktor bei der Bauprojektrealisierung von Hochbauten geworden.
  2. Die mit der TGA verbundenen Aufgabenstellungen betreffend Planung und Ausführung werden vom Auftraggeber bislang nicht ausreichend wahrgenommen.
  3. Auftraggeberorganisationen haben für eine ausreichende TGA-Kompetenz in der eigenen Projektleitung Sorge zu tragen. Wer in Bezug auf die TGA eine „Blackbox“ akzeptiert, verliert wesentliche Steuerungskompetenzen für die weitere Projektabwicklung.
  4. Der erhebliche technische Fortschritt im Bereich der technischen Gebäudeausrüstung, die zunehmende Verschränkung der technischen Planungsdisziplinen mit der Objektplanung und weiteren Fachplanungsbereichen und die stetige Aufgliederung in zusätzliche Spezialdisziplinen der Planung überfordert erkennbar die den Objekt- und Generalplanungsbüros obliegende Aufgabenstellung der Planungsintegration der Fachplanungen. Die Fachplaner bleiben vielfach sich selbst überlassen. Ein Verständnis für die zu integrierenden Fachplanungsbereiche fehlt nicht selten. Eine koordinierte Gesamtplanung kann durch die Planungsbeteiligten am Ende nicht vorgelegt werden. Die Tagungsteilnehmer fordern die Einsetzung eines zusätzlichen Systemintegrators für TGA-Gewerke. Dabei ist zunächst gleichgültig, ob diese Aufgabe vom Auftraggeber, vom Projektsteuerer oder vom Planungsteam wahrgenommen wird. Es handelt sich jedenfalls um eine zusätzliche Aufgabenstellung, die bei größeren Projekten vorgesehen werden sollten.
  5. Kompetente Fachplanungsbüros für die TGA sind rar gesät. Es fehlt an Nachwuchs. Die Universitäten haben den Bedarf an TGA-Planungsbeteiligten noch nicht nachvollzogen. Die HOAI sorgt nicht für angemessene Honorare, so dass ein erheblicher Marktengpass entstanden ist. Es besteht daher ein dringender Handlungsbedarf in Bezug auf die Ausbildung von Nachwuchs im Bereich der TGA-Planung und ebenso Anlass für HOAI-unabhängige, auskömmliche Vergütungsstrukturen für diesen Planungsbereich.
  6. Der heutige Bau- und Planungsprozess ist zergliedert in ein Höchstmaß an Einzelprozessen, -kompetenzen und -zuständigkeiten. Die daraus resultierende nahezu unbeherrschbare Zahl an Stakeholder und Schnittstellen erfordert neue Leistungsbilder, z.B. die Etablierung des benannten Systemintegrators, der die Schnittstellen managt, die Leistungen koordiniert und systematisch integriert.
  7. Für das Gelingen eines Projekts ist es von zentraler Bedeutung, dass den frühen Projektphasen, speziell hinsichtlich der notwendigen Weichenstellung für die TGA-Systeme, ausreichend Ressourcen und Zeit eingeräumt wird, um alle notwendigen Eckpfeiler, Ziele und Grenzen – des Projekts zu definieren und mit den Beteiligten abzustimmen.
  8. Ausführende Unternehmen sehen sich mit Vergabeverfahren konfrontiert, bei denen oft keine wirtschaftlichen Planungsvorgaben für die TGA vorhanden sind. Ein Ideenwettbewerb, welcher das vorhandene Planungs-Know-how auf Ausführungsseite einbezieht, findet nicht statt. Die abgefragten Angebote zum möglichst niedrigsten Preis (auf Basis einer zumeist überholten Technologie) prägen die Baupraxis. Die Vergabeverfahren sind nachhaltig zu verbessern, damit die Beschaffung im Bereich der TGA optimiert werden kann.
  9. Am Horizont bieten ggf. BIM-Planungsplattformen die Grundlage für eine vertiefte Planungsintegration, und zwar unter Beteiligung leistungsfähiger TGA-Planer. Die Anforderungen an die Planungsbeteiligten werden durch derartige Systeme aber noch weiter steigen, so dass umso mehr Anlass besteht, den vorbeschriebenen Fehlsteuerungen nachhaltig entgegenzuwirken.

Baustellenbesichtigung

Am Nachmittag fand die Tagung auf der Baustelle der Europäischen Zentralbank (EZB) im Ostend von Frankfurt ihren Abschluss. Unter fachkundiger Führung von Horst Roman-Müller (EZB, Frankfurt) wurde den Tagungsteilnehmern der vielschichtige Planungsprozess, die komplexen Bauanforderung – insbesondere die TGA betreffend – und der derzeitige Baufortschritt erläutert. Eine Besichtigung des – im fertigen Zustand – 185 Meter hohen Turms bildete damit einen gelungenen Abschluss der diesjährigen Projektmanagement-Tagung, die von allen Beteiligten als Erfolg gewertet wurde.

Den langwierigen und schwierigen Prozess der kontinuierlichen Verbesserung von Planungsprozessen wird die 1. Wissenschaftlichen Vereinigung Projektmanagement weiter begleiten: Die nächste Tagung wird im Frühjahr 2014 stattfinden.


Teilnehmer der 1. Wissenschaftlichen Vereinigung Projektmanagement e. V.

  • Prof. Dr.-Ing. Florian Kluge, Berichterstatter, 2. Stellvertretender Vorsitzender, Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft
  • Dr. Norbert Preuß, Präsident, PREUSS PROJEKTMANAGEMENT GMBH
  • Dr. Klaus Eschenbruch, 1. stellvertretender Vorsitzender, Kapellmann und Partner, Rechtsanwälte
  • Gerhard Daubendiek
  • Klaus Burkhart, AIP Consulting Düsseldorf GmbH
  • Prof. Dr. Alexander Malkwitz, A. T. Kearney GmbH

Weitere Teilnehmer:

  • Peter Matteo, Groß & Partner Grundstücksentwicklungsgesellschaft mbH
  • Univ.-Prof. Hans Lechner, Hans Lechner ZT GmbH
  • Ulrich Bollwerk, Bilfinger Berger Real Estate Management GmbH
  • Albert Heinermann, Jost Hurler Beteiligungs- und Verwaltungsges. GmbH & Co. KG
  • Winfried Siebers, Development Partner AG
  • Dr. Patrick Wenzel, Fraport AG – Frankfurt Airport Services Worldwide Immobilien & Facility Management
  • Univ.-Prof. Dr. Arnold Tautschnig, Leopold-Franzens-Universität Innsbruck
  • Univ-Prof. Dr. Detlev Heck, Technische Universität Graz
  • Stefan Löchner, Clifford Chance Rechtsanwalt – Partner
  • Bernd Bechtold, b.i.g. Bechtold Ingenieure GmbH
  • Wolfgang Weitz, Art-Invest Real Estate Management GmbH & Co. KG
  • Univ. -Prof. Dr. Dirk Bohne, Leibnitz Universität Hannover
  • Karl-Walter Schuster, YIT Building Services Central Europe GmbH
  • Horst Roman-Müller, European Central Bank
  • Uwe Machner, Hochtief Solutions AG
  • Thilo Warlich, Hochtief Solutions AG
  • Jörn Kreuzahler, MULTI Development Germany GmbH
  • Christian Gorris, Commerz Real AG
  • Michael Hiss, Flughafen München Baugesellschaft mbH
  • Günther Mertz, BTGA – Bundesindustrieverband