Praxisrelevante Schnittstellen zwischen Planung und Projektsteuerung im nationalen und internationalen Kontext

Tagungsbericht der Jahrestagung 2014 in München

Novellierung der HOAI, scheiternde Großprojekte, steigende Komplexitätsgrade, wachsende Zahl der Projektstakeholder – die Branche der Bau-Planer, -Manager, -Entwickler und -Steuerer sieht sich mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert. Diesen hat sich die 1. Wissenschaftliche Vereinigung in ihrer Jahrestagung gewidmet. Nach erfolgreichen Veranstaltungen in den letzten vier Jahren fand die fünfte Auflage unter dem Titel „Praxisrelevante Schnittstellen zwischen Planung und Projektsteuerung im nationalen und internationalen Kontext“ am 20./21. Mai in München statt. Moderiert vom Präsidenten Dr. Norbert Preuß (Preuss Projektmanagement) wurde in ausgewählten Vorträgen und intensiver Diskussion Ursachenforschung und Lösungssuche betrieben.

Vorträge

Den Auftakt im Tagungsprogramm machte Dr.-Ing. Stephan Eibl von Redstone Projects GmbH der anhand von Planungsbeispielen überwiegend aus dem anglo-amerikanischen Raum Schnittstellen, Größenordnungen und Organisationsmodelle im internationalen Projektmanagement aufzeigte. Dipl.-Ing. Werner Seifert, Architekt und Sachverständiger aus Würzburg arbeitete in seinem Vortrag „neue Leistungsszenarien im Zusammenwirken zwischen Planung und Projektmanagement als Folge der HOAI-Novellierung“ pointiert Chancen, Risiken und Konfliktbereiche der neuen Leistungsbilder heraus. Prof. Dr. Alexander Malkwitz (Universität Duisburg-Essen) zeigte im Beitrag „Chancen und Herausforderungen bei der Einführung von Building Information Modeling“ Möglichkeiten, Grenzen und Zukunftsperspektiven auf, die sich durch den Einsatz von BIM ergeben.

Diskussion und Thesen

Prof. Dr. Klaus Eschenbruch (Kapellmann und Partner, Düsseldorf) moderierte die anschließende Diskussion im Plenum und konnte dabei folgende Thesen herausarbeiten:

  1. Die aktuell in Deutschland diskutierten Großprojekte mit erheblichen Kostenüberschreitungen stehen in einem größeren internationalen Kontext mehr oder minder großer Zielabweichungen bei der Realisierung von komplexen und größeren Projekten. Auch die Olympiabauten in London – zum Teil als Mustervorhaben bewundert – reihen sich in eine lange Liste entsprechender Projekte mit gravierenden Kostenüberschreitungen ein.
  2. Großprojekte des Bau- und Immobiliensektors beinhalten zwar ein hohes Risiko für ein Fehlschlagen. Sie sind jedoch nicht mehr oder weniger beherrschbar als Großprojekte anderer Branchen oder Projekte industrieller Prozesse (Öl, Gas, Chemie). Die vorhandene Projektkomplexität entsprechender Projekte ist indessen als solche keine Entschuldigung für Projektleitung und -management im Falle des Scheiterns.
  3.  Es ist existiert keine von vornherein überlegene Organisationsform oder Planungs- bzw. Unternehmereinsatzform für große Projekte. Zielrichtung muss es sein, möglichst robuste Systeme mit beherrschbaren Schnittstellenbeziehungen für die Projektrealisierung zu entwickeln. Der internationale Trend zu Kumulativleistungsträgern ist abhängig von bestehenden Märkten und nur eingeschränkt auf Deutschland übertragbar.
  4. Qualifiziertes Projektmanagement kann die Wahrscheinlichkeit des Gelingens auch von Großprojekten erhöhen. Erfolgsvoraussetzung ist die Führungs- und Fachkompetenz der leitenden Personen. Reine Methodenkompetenz ist nicht ausreichend.
  5. Eine qualifizierte Projektabwicklung ist nur gesichert, wenn die zentralen Beteiligten – auch auf der Ebene der Projektmanager und Planer – angemessen vergütet werden. Im Übrigen ist eine transparente Projektabwicklung auf Augenhöhe und eine faire Behandlung der Vertragspartner erforderlich.
  6. Es ist zweifelhaft, ob die neuen, erweiterten Leistungsbilder der HOAI 2013 Nachhaltiges zum Gelingen der Großprojekte beitragen können. Speziell die dort geregelten Koordinierungs- und Terminplanungsverpflichtungen sind nicht den von Architekturbüros landläufig beherrschten Methoden zuzurechnen. Sie sind eher den eingeführten Leistungsbildern der Projektsteuerung zu entnehmen, was die Schnittstellen und Verantwortlichkeiten zwischen Planung und Projektsteuerung verkompliziert. Für kleinere Projekte ist das inzwischen deutlich angereicherte Leistungsbild eher überreglementiert, für große Projekte bedarf es ohnehin einer individuellen Anpassung auf den jeweils konkreten Projektzuschnitt.
  7. Die Handlungsfelder für Projektmanager und Objektplaner müssen in der Zukunft jeweils neu abgegrenzt werden. Selbständige Projektmanagementunternehmen geraten zunehmend unter Druck. In den Markt drängen große Unternehmensberatungsunternehmen und Maklergesellschaften, internationale Wettbewerber und jetzt auch Objektplaner.
  8. Weniger die Leistungsbilder der HOAI werden in Zukunft die Planungsabläufe und -inhalte bestimmen als vielmehr BIM (Building Information Modeling). Entscheidungen und Planungsschritte werden mit dieser Technik deutlich vorverlegt; die Leistungsphasen 2, 3 und 5 nach HOAI werden zusammenwachsen, wobei der sinnvolle Einsatzzeitpunkt in Abhängigkeit der gestalterischen und funktionalen Projektzielvorgaben unterschiedlich sein kann
  9. Die BIM-Technologie wird Planerverträge und Projektmanagementaufgaben nachhaltig beeinflussen. Insbesondere größere Bauunternehmen und Generalunternehmer setzen verstärkt auf BIM, um hier bereits in der Angebotsphase risikofreier kalkulieren und Angebote besser visualisieren zu können. Diese Anpassung wird einen entsprechenden Druck auf die Marktteilnehmer hervorrufen.
  10. Die heute im Markt vorzufindenden Schnittstellen zwischen Projektmanagement und Objektplanung werden sich mithin in nächster Zeit verändern. Herkömmliche Beauftragungs- und Abwicklungsmuster für den Einsatz dieser Projektbeteiligten werden von Fall zu Fall neu auszugestalten und festzulegen sein.

Studienpreis

Einen weiteren Höhepunkt fand die Veranstaltung in der Verleihung des Studienpreises der 1. Wissenschaftlichen Vereinigung, der 2013 erstmals ausgelobt worden war. Unter dem Motto „Exzellentes Fördern“ hatte die Vereinigung herausragende wissenschaftliche Arbeiten, im Bereich Bau-Projektmanagement, Projektsteuerung und Projektentwicklung gesucht, denen es in besonderer Weise gelingt, aktuelle und relevante Fragen des Bau-Projektmanagements wissenschaftlich zu beleuchten und beispielhaft zukunftsweisende Lösungen zu entwickeln. Besonders willkommen waren arbeiten, die einen Beitrag dazu leisten, PM neu zu denken uns altbekannte Pfade weiterzuentwickeln.

Moderiert von Prof. Dr. Florian Kluge wurden im Rahmen der Tagung zwei Preisträger geehrt: Der 1. Preis ging an Dr. Georg Fröch, der für seine Dissertation „Probabilistische Bewertung und systematische Optimierung von Projektentwicklungen unter Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien“ ausgezeichnet wurde. Die Doktorarbeit wurde an der Universität Innsbruck erstellt und betreut von Prof. Dr. Arnold Tautschnig, Universität Innsbruck sowie Prof. Achammer. Der 2. Preis ging an Dr. Michael Werkl für seine Dissertation „Risiko- und Nutzenverhalten in der Bauwirtschaft – Eine entscheidungstheoretische Betrachtung im institutionenökonomischen Kontext“. Die Arbeit wurde bei Prof. Dr. Detlef Heck an der TU Graz erstellt.

Baustellenbesichtigung

Ihren Abschluss fand die Tagung mit einer Führung über die Baustelle des neuen Terminalprojektes Flughafen München (Satellit). Nach einer fachkundigen Einführung durch Herrn Geschäftsführer Thomas Weyer (FMG), die auch generelle Entwicklungen im Flughafensektor umfasste, wurde den Tagungsteilnehmern durch die Geschäftsführer der Flughafen Baugesellschaft, Michael Hiss und Wolfgang Lohde der vielschichtige Planungsprozess, die komplexen Bauanforderung und der derzeitige Baufortschritt erläutert.

Die 1. Wissenschaftliche Vereinigung Projektmanagement wird sich weiterhin komplexen Projektthemen und -prozessen widmen. Ihre nächste Jahrestagung ist für das Frühjahr 2015 geplant.


Autoren:
Prof. Dr. Florian Kluge
Prof. Dr. Klaus Eschenbruch