Im Handelsblatt vom 02.10.2020 wird Bundeskanzlerin Angela Merkel mit den Worten zitiert, es freue sie, „… dass Brandenburg mit Tesla zeigt, wie man mit unseren Gesetzen und Fördermöglichkeiten auch in kurzer Zeit Dinge durchsetzen kann.“ Vor dem Hintergrund prominent gescheiterter Bauvorhaben auch aus der näheren Nachbarschaft ist diese Aussage zwar nicht zu beanstanden, mindestens gleichberechtigt sollte sie aber auch lauten: was man trotz unseren Gesetzen durchsetzen kann.
Tatsächlich können wir von Tesla lernen, und zwar in den Bereichen Übernahme von Verantwortung, Treffen von Entscheidungen und ihrer konsequenten Umsetzung. Das schließt die Bereitschaft zur Übernahme kalkulierbarer Risiken mit ein, was etwa den Baustart vor dem Vorliegen einer abschließenden Baugenehmigung betrifft. Brandenburg scheint hier schon von Tesla gelernt zu haben, wie unter verantwortungsvollem Ermessen Wege freigemacht werden können, die formal mit Steinen geradezu überschüttet sind. Das wirft die Frage auf, inwieweit die Notwendigkeit von Sonderwegen nicht zugleich zum Anerkenntnis führen sollte, dass die Hauptwege über die Jahre zu Irrwegen geworden, und grundlegend neu zu trassieren sind.
Bis dies der Fall ist, scheint Brandenburg tatsächlich eine Vorreiter-Rolle zu übernehmen, die am Beispiel der Schiersteiner Brücke auch für das Land Rheinland-Pfalz Vorbildcharakter gehabt haben könnte: Diese zwischen den Landeshauptstädten Mainz und Wiesbaden verlaufende Brücke wird auf nördlicher hessischer Seite sechsstreifig ausgebaut und sollte auf rheinland-pfälzischer Seite u. a. wegen einiger Weißstörche in den bestehenden vierstreifigen Anschluss münden. Man muss kein Verkehrsplaner sein um zu ahnen, dass das nicht sinnvoll sein kann, kein Hellseher um zu wissen, dass am Ende doch ein sechsstreifiger Ausbau stehen wird und kein Volkswirt um zu wissen, dass solche damit verbundenen Streitereien der Volkswirtschaft erheblichen Schaden zufügen. Formal und politisch alles korrekt – aber am Ende eben außer Spesen nichts gewesen.
Die Lektion, die von Grünheide ausgehen sollte, kann daher nur zweierlei bedeuten: Zum Einen bedarf es endlich und dringend eines Grundreinemachens in dem über die Jahrzehnte angesammelte Regelungsballast, der im Bemühen, es allen recht machen wollte, schließlich zur Verstopfung geführt hat. Zum Anderen bedarf es vermehrt mutiger Verantwortungs- und Entscheidungsträger auch auf öffentlicher Seite, die in der Überbrückungszeit ermessensvoll nach Lösungen suchen auf die Gefahr hin, dass sich diese hinterher als falsch herausstellen. Denn nur, wer nicht entscheidet, macht keine Fehler – und das können wir uns am Standort Deutschland immer weniger leisten.