Studienpreis-Gewinnerin 2024

Anwohnerinformations- und Feedbacksystem für Baustellen

Anna-Lena Bender

Die wachsende Weltbevölkerung und der gleichzeitig zunehmende Urbanisierungsgrad steigern den Bedarf an Wohn- und Bürogebäuden, Schulbauten und der Infrastruktur im innerstädtischen Bereich. Um den zukünftigen Bedarf zu decken, werden viele Neubau- und Modernisierungsmaßnahmen erforderlich. Obwohl das Bauwesen einen zentralen Beitrag für die Entwicklung der Städte leistet, werden die Baustellen aus Sicht der Öffentlichkeit überwiegend als Hindernis wahrgenommen. Grund hierfür sind die Einflüsse, die von Baustellen auf das umgebende Quartier, deren Nachbarschaften sowie den städtischen Verkehr einwirken. Die Vernachlässigung der entsprechenden Einflüsse und eine geringe Kommunikation mit dem umgebenden Quartier können die Akzeptanz von Bauvorhaben negativ beeinflussen und zu einer Abwehrhaltung führen. Die Gefahr der Einflussnahme auf die Resilienz von internen Abläufen kann dadurch ansteigen und zeitliche bzw. monetäre Schäden für die beteiligten Parteien verursachen. Im Ergebnis bestehen ein Abhängigkeitsverhältnis sowie Informationsbedürfnisse zwischen den ausführenden Unternehmen einer Baustelle und der umliegenden Nachbarschaft.

Um die Kommunikation zwischen den Anwohnern und der Baustelle zu unterstützen, wird im Rahmen dieser Arbeit ein digitales Informations- und Feedbacksystem entwickelt. Das umgebende Quartier der Baustelle soll über das Bauvorhaben sowie hieraus resultierenden Beeinträchtigungen informiert und zur positiven Interaktion motiviert werden. Einflüsse von und auf Baustellen sollen damit frühzeitig identifiziert werden, um potenzielle Störungen zu erkennen und zu priorisieren. Daraus sollen geeignete Gegensteuerungsmaßnahmen abgeleitet werden können. Die Akzeptanz für Baustellen soll erhöht und potenzielle Konflikte im Quartier reduziert bzw. vermieden werden. Zudem soll die Bau- und Projektleitung in der Kommunikation mit der umliegenden Nachbarschaft entlastet werden, um den Fokus auf primäre Aufgaben der Baustelle zu legen (Produktivität).

Für die Entwicklung eines digitalen Anwohner-Informations- und Feedbacksystems wurde in einem ersten Schritt die Grundlagen untersucht, welche für ein benutzerfreundliches Softwaresystem notwendig sind. Anhand der sich hieraus ergebenden menschenzentrierten Herangehensweise wurde der Nutzungskontext theoriegeleitet und empirisch untersucht.

Mithilfe einer Literaturrecherche konnten die Kommunikationsstrategien und -herausforderungen zwischen den Stakeholder und der Baustelle aufgezeigt werden. Als wesentliche Anforderungen an die Stakeholderkommunikation konnten die Kriterien: Frühzeitigkeit, Transparenz und Klarheit, Kontinuität, Glaubwürdigkeit und Handlungsspielräume abgeleitet werden. Neben der Kommunikationsstruktur wurden ebenfalls die Einflussfaktoren, welche von und auf innerstädtische Baustellen wirken, untersucht.

Die identifizierten Einflussfaktoren wurden anschließend im Rahmen einer empirischen Untersuchung anhand von Experteninterviews validiert und ihre Häufigkeit und das Schadensausmaß bewertet. Gleichzeitig wurden die Interviewteilnehmer in Bezug auf die bisherigen Kommunikationsstrategien und -defizite befragt. Abschließend wurde eine Einschätzung der Teilnehmer zu den persönlichen Präferenzen in Bezug auf die Ausgestaltung des Softwaresystems eingeholt. Auf Grundlage dieser Erkenntnisse konnte ein Nutzungskontext definiert und das Softwarekonzept für das Anwohner-Informations- und Feedbacksystem entworfen werden.

Im Zuge der Arbeit konnte aufgezeigt werden, dass aus Sicht der Anwohner ein Bedarf an partizipativen Methoden besteht. Insbesondere das Informationsbedürfnis über bevorstehende Störungen sowie hieraus resultierende Handlungsmaßnahmen sind aus Sicht der Anwohner die wesentliche Nutzungsanforderung.

Aus Sicht der Projektverantwortlichen ergeben sich durch das Anwohner-Informations- und Feedbacksystem wertvolle Vorteile und Chancen. Hierzu zählen unter anderem ein geringeres Konfliktpotenzial, Zeitersparnisse in der Informationsvermittlung sowie die Datenerfassung und -verarbeitung des Kommunikationsflusses. Trotz der zahlreichen Potenziale, die sich durch die Nutzung des Systems ergeben, wird das umgebende Quartier in der Praxis nur in Einzelfällen eingebunden. Dabei stellt der erhöhte Zeitaufwand für die Beantwortung des Feedbacks das größte Hemmnis für die Interviewteilnehmer:innen dar. Dennoch hat sich die Mehrheit der Interviewteilnehmer:innen für die Einführung eines Informations- und Feedbacksystems ausgesprochen.

Auch in Zukunft werden sich die Anforderungen an die Nachhaltigkeitskriterien Environment, Social und Governance (ESG) weiter erhöhen. Das Anwohner-Informations- und Feedbacksystem kann insbesondere für die Bereiche „Social“ und „Governance“ einen maßgebenden Beitrag leisten.