Entwicklung eines Prämiensystems zur Berücksichtigung der Bauprozessqualität in Bauverträgen

Von Dr. Nathalie Simon

Dr.-Ing. Nathalie Simon

Obwohl Vertragsparteien gemeinhin häufig auch als Vertragspartner bezeichnet werden, wird insbesondere bei der Abwicklung von Bauverträgen häufig gerade keine partnerschaftliche Zusammenarbeit gepflegt. Divergierende Interessen und opportunistisches Verhalten der Beteiligten führen nicht selten zu in höchstem Maße konfrontativ geprägten Auseinandersetzungen, eklatanten Mehrkosten und signifikanten Terminüberschreitungen. Insbesondere große und komplexe Bauprojekte in Deutschland sind diesbezüglich regelmäßig negativer Kritik der Öffentlichkeit ausgesetzt.

Als ein Lösungsansatz für eine mehr auf der Verfolgung gemeinsamer Interessen basierende Zusammenarbeit der Bauvertragsparteien wird die Vereinbarung von monetären Bonus-Malus-Regelungen angesehen. Die Berücksichtigung von Bonus/Malus-Regelungen in Bauverträgen ist allerdings in Deutschland – ganz im Gegensatz zu den USA, Australien, Großbritannien oder auch Finnland – bis heute weder in Projekten öffentlicher noch privatwirtschaftlicher Bauherren üblich. Zunehmend in den Fokus von Wissenschaft und Praxis rücken aber sog. integrierte Projektabwicklungsmodelle, die auf Basis von Mehrparteienverträgen u. a. durch die Berücksichtigung von monetären Incentive-Regelungen auf die Minderung von Informationsasymmetrien und eine Harmonisierung der Zielvorstellungen möglichst aller Beteiligten unter dem Dach eines einzigen Vertrages abzielen.

Da sich die Einführung bzw. Durchsetzung derartiger Innovationen innerhalb der deutschen Bauwirtschaft erfahrungsgemäß über lange Zeiträume erstreckt, bis von einer Etablierung gesprochen werden kann, baut die Dissertation mit innovativen Ansätzen zur Anwendung im Rahmen konventioneller Strukturen gewissermaßen eine baubetriebswirtschaftliche Brücke: Mit einer ingenieurwissenschaftlichen Herangehensweise soll eine eigenständige anreizbasierte Vergütungskomponente entwickelt werden, die als Erweiterung bestehender Vergütungssystematiken in bilateralen Bauverträgen Anwendung finden kann. Inhaltlich soll diese Vergütungskomponente den Prozesscharakter der Bauleistungserbringung fokussieren und weniger deren reines Ergebnis. Die Qualität des Bauprozesses – nachfolgend als Bauprozessqualität bezeichnet – ist insbesondere von Management- und Koordinationskompetenzen des bauausführungsbezogenen Vertragspartners des Bauherrn abhängig und von der Produktqualität eines Bauwerks ausdrücklich abzugrenzen. Die Forschungsergebnisse der vorliegenden Arbeit richten sich insgesamt an einen baufachlich kompetenten Adressatenkreis, bestehend aus (voraussichtlich vorerst privatwirtschaftlichen) Bauherren mit entsprechender Innovationsbereitschaft und Bauausführenden, die insbesondere als Generalunternehmer die o. g. Management- und Koordinationsleistungen erbringen. Die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf Projektkonstellationen mit fachlosweisen Vergaben soll dadurch jedoch nicht ausgeschlossen werden.

Abbildung 1: Voraussetzungen zur Bewertbarkeit von Bauprozessqualität vor dem Hintergrund des typischerweise zwischen den Bauvertragsparteien herrschenden Informationsgefälles